Gegenwärtig zählen Kinderbücher wahrscheinlich zu den gängigsten Publikationen, die von und für Rom_nja geschrieben und veröffentlicht wurden. Dies ist der Notwendigkeit geschuldet, Roma-Kinder auszubilden und ihre Kultur und Identität durch Literatur zu stärken. Kinderbücher, in Originalsprache wie in Übersetzung, gehörten zu den ersten Gattungen originärer Roma-Literatur. Diese Entwicklung reicht bis in die 1920er und 30er Jahre in der Sowjetunion zurück, in der Kinderbücher Teil einer ziemlich avancierten Roma-Literaturlandschaft waren (die allerdings nur ein Jahrzehnt lang blühte).
Wenn über »Literatur« für Roma-Kinder gesprochen wird, sollte das jedenfalls inklusiv geschehen, weshalb der Begriff »Publikationen« treffender wäre. Schließlich sollte dieses Korpus auch Lehrmaterialien, verschiedene Bücher von Roma- und Nicht-Roma-Autor_innen für Roma-Kinder, Zeitschriften für Kinder und Jugendliche, Comics und Übersetzungen von Kinder- und Jugendbüchern in Romanes umfassen.
Seit Ende der 1960er Jahre nahmen sowohl die internationale Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma wie auch die europäischen Institutionen – wie der Europarat – eine proaktive Haltung in Bezug auf den Status der Sinti und Roma ein. Sie riefen zur Unterstützung ihrer Kultur auf und veröffentlichten verschiedenste Erklärungen und Empfehlungen, die die Sprache, Kultur und Bildung der »Zigeunerkinder in Europa« betreffen. Die Notwendigkeit, Publikationen von Sinti und Roma zu fördern, wird seit dem Ersten Internationalen Romani Kongress 1971 in London diskutiert. Auch auf den Kongressen der Internationalen Romani Union gab es stets Kommissionen und Ausschüsse, die sich für Publikationen und Bildung in Romanes engagierten.
In dieser internationalen Atmosphäre der 1970er Jahre, die von einer Politik des Wohlfahrtsstaates geprägt war (welche zumeist auf Unterstützung für migrierende Volksgruppen abzielte), erschienen in Westeuropa mehrere Publikationen für Kinder. Beispiele dafür sind »Mo Romano Lil« (›Mein Romani Buch‹, 1971) sowie »The Romano Drom Song Book 1« (›Das Roma-Liederbuch 1‹, 1971) von Denise Stanley and Rosy Burke im Vereinten Königreich und »Amari śib« (›Unsere Sprache‹, 1979), herausgegeben von Lambert Scherp in Schweden.
In Osteuropa wurde vor 1989 in einigen Ländern (wie Jugoslawien) die Produktion von Roma-Literatur angeregt. Es gab aber weder Kinderpublikationen noch spezielle Bildungsprogramme für Roma-Kinder. Jedoch wurden Roma-Kindern in den »Ostblockstaaten« Bildungsrechte und ein Zugang zum Regelschulsystem zugestanden, während der Bildungszugang für Roma-Kinder in vielen westeuropäischen Staaten in den 1970er Jahren weiterhin prekär blieb.