Die größte Herausforderung liegt im Anerkennen und Verstehen, dass der Bereich der Bilderpolitik mit der Paradoxie konfrontiert ist, Bilder zu sammeln und zu präsentieren und diese zugleich emanzipativ auszuwählen und zu kontextualisieren, um ihrer hegemonialen Lesart in bestehenden Archivformen entgegenzuwirken. Diese Aufgabe erfordert ein kritisches Bewusstsein, um die wahren Aspekte und Ziele des Archivbereichs definieren zu können. In der Umbenennung des Bereichs von ›Fotografie‹ in ›Bilderpolitik‹ (bzw. ›Politics of Photography‹) wurde dieser Ansatz nominell bestätigt.
01 Bilderpolitik
Aber was meine ich hier mit Paradoxie? Projektvorstellungen und Selbstdarstellungen ohne eine klare Kontextualisierung sowie die Feststellung, dass es sich hier um ein komplexes, vielfach nicht gegebenes oder akzeptiertes Ordnungs- und Verständigungssystem handelt, dessen Bestandteile miteinander oft in Paradoxie geraten und dennoch zu einander ergänzenden Strukturen werden sollen, führen zwangsweise zum Widerspruch. Die Analyse von Paradoxien kann jedoch zu einem tieferen Verständnis der Dokumente, Fotografien und Archivalien einer Minderheit führen, was den Widerspruch im besten Fall auflöst. Neue inter- und transkulturelle Verständnisse und Erkenntnisse werden hervorgebracht, wo es sich um »gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und Fragestellungen« handelt, wo Mitbürger_innen der Mehrheitsgesellschaft zu einem Teil der Erzählungen und Narrative der Minderheit werden. So kann mindestens die erneute (Selbst-)/Ghettoisierung oder das kulturelle und gesellschaftliche Exil vermieden werden.
Die Aufgabe des Archivbereichs Bilderpolitik ist vor allem die Anregung eines sammlungs- und gestaltungspolitischen Diskurses. Ziel ist die Bildung eines kritischen Bewusstseins und somit das Anstoßen einer noch immer ausstehenden, wesentlichen Veränderung der rassistischen gesellschaftlichen Haltung gegenüber und Darstellung von Sinti und Roma sowie des vielfach wiederholten ersten Schrittes der demokratischen Akzeptanz und rechtlichen Gleichstellung von staatlicher Seite. So muss ich als Kurator feststellen, dass ich meinen kritischen Blick nicht auf die Kunst und Kultur von Sinti und Roma wenden muss, sondern vielmehr auf das ›Warum?‹, auf den Kontext und die Instanz, die noch immer von mir eine ›Darstellung der Minderheit‹ verlangt.