Mitteleuropa

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Tess Lulu Orban

Roma-Musik in Ungarn

Historischer Hintergrund

Roma-Musik ist so vielfältig wie unsere diversen Roma-Kulturen. Ungarische Roma-Musik bildet da keine Ausnahme, und selbst innerhalb der Gattung gibt es zahlreiche Variationen. Die meisten ungarischen Rom_nja lassen sich in die Gruppen Romungro, Lovari und Boyash unterteilen.

Teilweise infolge von Vorurteilen und auch staatlichem Rassismus sprechen viele Rom_nja in Ungarn – insbesondere Romungro und Boyash – kein Romanes, sondern vielmehr Ungarisch. 1783 beispielsweise ordnete Kaiser Joseph II. ein allgemeines Verbot von Romanes an und ließ das Sprechen der Sprache mit 24 Stockschlägen bestrafen – Teil eines weitgreifenden und drakonischen Gesetzes, das zum Ziel hatte, Roma-Familien aufzubrechen und zur Assimilation zu zwingen. Manche Rom_nja in Ungarn sprechen allerdings eine Mischung aus Ungarisch und Romanes beziehungsweise aus anderen Sprachen, wie dem Beás-Dialekt des Rumänischen.

Vlax-Rom_nja

Während das gängige Bild ungarischer Roma-Musik das einer Band oder eines Streicherorchesters ist, war die ältere Roma-Musik – oder vielmehr die Roma-Musik, die weniger vom Land beeinflusst wurde, in dem die Musiker_innen lebten – vor allem vokal und setze Klatschen, Zungenschnalzen und andere Schlagtechniken ein. »Vokal Bass« und »Vokal Percussion« (den indischen Trommelsilben ähnlich) sind immer noch weitverbreitet, und man könnte argumentieren, sie seien ein einmaliges Merkmal der Roma-Musik, besonders häufig unter den ungarischen Lovara und anderen Vlax-Rom_nja. Die meisten Lieder werden auf Ungarisch beziehungsweise Romanes gesungen, und manchmal sogar in einer Art Para-Romanes-Dialekt, der ausschließlich von ungarischen Rom_nja gesprochen wird.

audio

Ein Beispiel eines oralen Basses, interpretiert vom EtnoRom Ensemble.

Musikalische Ausbildung

Ungarische Roma-Musik, die unterschiedlich stark von ethnisch ungarischen Stilen beeinflusst wurde und manchmal auch mit ihnen zusammengeflossen ist, wird mit denselben Tonleitern aufgeführt wie andere mitteleuropäische Repertoires, allerdings verwenden Roma-Musiker_innen manchmal eher eine modifizierte Molltonart, mit zwei übermäßigen Sekundschritten. Der etablierten musikologischen Terminologie aus dem Romanes folgend, fallen Roma-Lieder in zwei Kategorien: loke gila (»langsame Lieder«, oder chachi vorba, was »echte Rede« bedeutet – manche Romungro nennen solche Musik árva nóta, als »Waisenlied«) und khelimaske gila (»Tanzlieder«, oder auf Ungarisch pattogós).

Die meisten Amateur_innen unter den Romungro- und Lovari-Musiker_innen improvisieren und können nicht notwendigerweise Noten lesen, weshalb manche Nicht-Roma-Musiker_innen, die häufig am Konservatorium studiert haben, auf sie herabblicken. Allerdings gibt es auch etliche professionelle Roma-Sänger_innen und -Instrumentalist_innen mit einer formalen musikalischen Ausbildung. Diese Künstler_innen können Noten lesen und kennen sich in der Musiktheorie aus, denn sie haben einige der wichtigsten Musikinstitutionen des Landes besucht, wie beispielsweise die Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest.

Seit den 1990er Jahren adaptieren zahlreiche Roma-Bands und -Orchester Musik von anderen Roma-Subgruppen und erschaffen zudem auch vollkommen neue Musikstile wie den Roma-Hip-Hop (beispielsweise die Band Fekete Vonat).

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