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Orte und Konstellationen des Völkermordes Briefe von Roma & Sinti

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»Große Krankheit, Elend und Mord«

Margarete Bamberger | »Große Krankheit, Elend und Mord« | Selbstbeweis | Deutsches Reich | 1943 | voi_00001 Rights held by: Margarete Bamberger | Provided by: Lamuv Verlag – Publishing House | Published by: Anita Geigges & Bernhard W. Wette (Ed.). Gypsies Today – Persecution and Discrimination in the Federal Republic of Germany [Zigeuner heute – Verfolgung und Diskriminierung in der BRD]. Lamuv Verlag 1979. Page 271.

»Ich muss Dir mitteilen, dass meine beiden kleinsten Kinder gestorben sind«

Margarete Bamberger, 1943

Printed in: Anita Geigges and Bernhard W. Wette (eds): Zigeuner heute. Verfolgung und Diskriminierung in der BRD, Bornheim-Merten, 1979, 271.

Margarete Bamberger | »Große Krankheit, Elend und Mord« | Selbstbeweis | Deutsches Reich | 1943 | voi_00001

Der Brief von Margarete Bamberger wurde 1943 aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau herausgeschmuggelt. Er ist eines der berührendsten Zeugnisse, die es über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma Europas gibt.

Margarete Bamberger | »Große Krankheit, Elend und Mord« | Selbstbeweis | Deutsches Reich | 1943 | voi_00001

»Unsere Frauen und unsere Kinder verstecken ihre Tränen vor uns«

Internierter des Lagers Linas-Montlhéry, 1941

Anonym | »Wir sind in Montlhéry interniert, den Grund kennen wir nicht« | Selbstbeweis | Frankreich (deutsch besetzte Zone) | 21. November 1941 | voi_00006
Archiv des Départements Yvelines, 300 W 81

Mit den Stimmen der Opfer werden ihre verzweifelte Lage, ihre Ängste und Hoffnungen spürbar. Den Morden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern gingen viele Jahre der Demütigung, Entrechtung und Isolation voraus. Auch die Familien, die 1940 im besetzten Frankreich in dem Lager Linas-Montlhéry interniert waren und 1941 um ihre Freilassung baten, überlebten nicht. Sie wurden 1944 über das Sammellager im belgischen Mecheln nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Josip Joka Nicolić, 1952

Sprecher: Zejhun Demirov (D) | Steve Hudson (E) | Nedjo Osman (R)

Kroatisches Staatsarchiv, HR-HDA-421, Box 128, Sprecher: Zejhun Demirov (D) | Steve Hudson (E) | Nedjo Osman (R)

Josip Joka Nikolić nennt Namen und Alter seiner Angehörigen – Ehefrau und Kind, Eltern, Brüder, Schwägerinnen, Nichten und Neffen –, die mit ihm im Mai 1942 aus der Ortschaft Predavec in das Konzentrationslager Jasenovac deportiert und vor ausgehobenen Gruben erschossen wurden. Nur ihm gelang die Flucht, weshalb er einer der wenigen Zeug_innen der systematischen Ermordung der Rom_nja in dem faschistischen »Unabhängigen Staat Kroatien« ist.

Milena Stanković | »Sie verlangten von den Männern, mitzukommen« | Selbstbeweis | Jugoslawien | 26. Juni 1945 | voi_00017
Archive von Jugoslawien, Belgrad, 110-273-113

»Am 29. Oktober 1941 wurde das Viertel von den Deutschen umstellt, und alle Männer hatten sich sofort fertigzumachen, um mitzukommen«

Milena Stanković, 1945

Milena Stanković bezeugt dies vor einer Untersuchungskommission. Vor allem im deutsch besetzten Südost- und Osteuropa geschahen die Morde nicht in Lagern, sondern in der Nähe der Wohnorte. So etwa in Belgrad, wo im Oktober 1941 alle Roma festgenommen und erschossen wurden.

Lonny Indus | »Ich habe keine Ahnung, warum er in Haft sein soll« | Selbstbeweis | Reichskommissariat Ostland | 7. November 1942 | voi_00005
Estnisches Staatsarchiv Tallinn, R 59 / 2 / 7

»Ich habe sechs Kinder im Alter von einem bis 14 Jahren und muss sie allein ernähren, weil mein Mann Filipp Indus im Dezember 1941 verhaftet wurde«

Lonny Indus, 1942

Mit diesen Worten beschreibt die 31-jährige Lonny Indus ihre bedrückende Lage. Doch sie bittet vergeblich um die Entlassung ihres Mannes. Das Ehepaar und die sechs Kinder wurden im Februar 1943 deportiert. Niemand überlebte. Etwa 95 Prozent der Roma-Bevölkerung in Estland wurde unter deutscher Besatzung ermordet.

»Unsere Kolchose wurde umstellt, insgesamt wurden 176 Menschen jeglichen Alters – auch Kinder und Alte – erschossen«

Romni aus dem Dorf Aleksandrovskoe, 1943

M. P. Lazareva | »Wir bitten um Annahme und Bearbeitung unseres Antrags« | Selbstbeweis | Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik | 9. Oktober 1943 | voi_00027
Staatsarchiv der Russischen Föderation, f. 7021, op. 44, d. 1091, ll. 6–6ob.

Überlebende Romnja aus dem Dorf Aleksandrovskoe in der Nähe von Smolensk berichten über die deutsche Besatzung. Wie an vielen anderen Orten der besetzten Sowjetunion war auch die Krim Schauplatz von Massenexekutionen an Roma, die mobile Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes durchführten.

M. P. Lazareva | »Wir bitten um Annahme und Bearbeitung unseres Antrags« | Selbstbeweis | Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik | 9. Oktober 1943 | voi_00027

»Ich werde wohl nicht nach Hause zurückkehren«

Ivan Ivanov, 1942

Ivan Ivanovič Ivanov | »Ich werde wohl nicht nach Hause zurückkehren« | Selbstbeweis | Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik | 1. November 1942 | voi_00054
Ivan Ivanovič Ivanov | »Ich werde wohl nicht nach Hause zurückkehren« | Selbstbeweis | Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik | 1. November 1942 | voi_00054
Privatarchiv Raja Dement, abgedruckt in: Nikolaj Bessonov: Cyganskaja tragedija 1941–1945. Fakty, dokumenty. vospominanija. Tom 2: Vooružennyj otpor, Sankt-Petersburg 2010, S. 45 f.

Diese Botschaft schickt der 28-jährige Ivan Ivanov von der Front in Stalingrad nach Hause. Der Satz ist auf Romanes geschrieben, damit der Brief trotz Zensur seine Ehefrau erreicht. Ivanov starb als Soldat im November 1942. Er war einer der vielen Hundert Rom_nja, die in der Roten Armee für die Befreiung kämpften. Auch in anderen Ländern kämpften Rom_nja in regulären Armeen oder als Partisan_innen aktiv gegen die Armeen und Verbündeten des Deutschen Reiches.

Anton Reinhardt | »Da ich euch nicht mehr sehen werde« | Selbstbeweis | Deutsches Reich | 31. März 1945 | voi_00004
Staatsarchiv Freiburg im Breisgau, F 179/1, Nr. 249

»Ich will euch meinen letzten Wunsch mitteilen, da ich euch nicht mehr sehen werde«

Anton Reinhardt, 1945

Das sind die letzten Worte des 17-jährigen Anton Reinhardt, die er am 31. März 1945 an seine Eltern richtet. Am selben Tag wurde er von einem SS-Hauptsturmführer erschossen. Reinhardt war vor der drohenden Zwangssterilisation aus Deutschland in die Schweiz geflohen, von dort abgeschoben und verhaftet worden. Als er erneut zu fliehen versuchte, wurde er ergriffen und ermordet.

Petrus Johannes Vos, 1945

Sprecher: Ulrich Marx (D) | Tom Zahner (E) | Nedjo Osman (R)

Privatbesitz Zoni Weisz
  1. Wie viele andere Überlebende auch, suchte Petrus Johannes Vos nach der Befreiung nach seinen Angehörigen. Meist zeigten jedoch die Behörden wenig Anteilnahme und machten kaum Anstrengungen, das Schicksal der Deportierten zu klären. So blieben viele Sinti und Roma oft jahrzehntelang im Unklaren darüber, was mit ihren Verwandten geschehen war. Erst spät erfuhr Vos, dass seine Tochter, der Schwiegersohn und drei Enkel_innen die Deportation nach Auschwitz nicht überlebt hatten.

»Während dieser Experimente hatte ich furchtbare Durstanfälle, zum Schluss bekam ich Fieber. Bis zum heutigen Tage leide ich an den Folgen«

Karl Höllenreiner, 1947

Karl Höllenreiner | »Der Doktor der Luftwaffe goss ihm gewalttätig das Seewasser herunter« | Selbstbeweis | Deutschland (amerikanische Besatzungszone) | 17. Juni 1947 | voi_00047
Staatsarchiv Nürnberg, NO-3961

Karl Höllenreiner sagt im Juni 1947 vor einem amerikanischen Ermittlungsbeamten aus. Er hatte im Konzentrationslager Dachau die folterähnlichen Meerwasser-Experimente, die an 40 Sinti und Roma im Auftrag der Luftwaffe begangen wurden, überlebt und war Zeuge der Anklage im Nürnberger »Ärzte-Prozess«. Nur wenige Täter_innen, die an den an Sinti und Roma verübten Verbrechen beteiligt waren, wurden jemals vor Gericht gestellt, noch weniger deswegen verurteilt.