Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma

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Rom_nja in Norwegen

Vidar Fagerheim Kalsås

Abstract

Die politische Mobilisierung und die Aktionen der Roma- und Romani-Tatere-Communities in Norwegen nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich innerhalb einer sich dort verändernden ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Landschaft. Das Land bewegte sich vom Aufbau eines breit aufgestellten Wohlfahrtsstaats – basierend auf Ideen über wirtschaftliche Gleichstellung in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg – hin zu einer wachsenden Marktliberalisierung und stärkeren Bindung an die EU gegen Ende des Jahrhunderts. Hand in Hand mit Norwegens Verbindung zur EU geht die Verpflichtung, internationalen Konventionen zu Menschen- und Minderheitenrechten beizutreten. Zu diesen gehört das »Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten« des Europarats von 1995; die norwegische Regierung erkannte fünf nationale Minderheiten an: Kwens/Norwegische Finnen, Juden, Metsäsuomalaiset/Waldfinnen, Roma und Romani-Tatere.1 Bei den Organisationen der Romani-Tatere gab es durchaus Ambivalenzen hinsichtlich des Status als nationale Minderheit, wobei einige gegen diesen Status waren, während andere ihn akzeptierten.2

Diese Unterscheidung zwischen Romani-Tatere und Rom_nja basierte auf historischen und sprachlichen Unterschieden sowie Unterschieden in der Organisation der Communitys und ihrer Interaktion untereinander.3 Die Romani-Tatere gelten als die Nachkommen von Rom_nja, die im 16. Jahrhundert nach Skandinavien immigriert sind, während die Rom_nja in den 1880er Jahren nach Norwegen immigrierten. Die Politik der norwegischen Regierung hinsichtlich dieser Gruppen unterschied sich auch in wesentlichen Aspekten: während die Politik hinsichtlich der Romani-Tatere von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts von der Idee der »Assimilation« geprägt war,4 lässt sich die Politik hinsichtlich der Rom_nja in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als ausgrenzend beschreiben – basierend auf der Vorstellung, dass die Rom_nja nicht in den norwegischen Nationalstaat gehörten.5

Der Essay besteht aus einer Darstellung einiger Formen von politischen Aktionen, die auf staatliche Politik oder gesellschaftliche Diskriminierung abzielten, geleistet von Personen oder Kollektiven, die sich als Romani-Tatere oder Rom_nja identifizieren. Diese Darstellung ist weder vollständig, noch ist sie die einzig mögliche Art, diese Ereignisse zu erzählen. Es ist eine historische Darstellung (aus der Perspektive eines Historikers) der Romani-Tatere und Rom_nja als politische Akteur_innen im Kontext der norwegischen Minderheitenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine solche Darstellung bedarf einer Form der Gruppendefinition.6 Die oben angeführte Unterscheidung zwischen Romani-Tatere und Rom_nja wird auch in diesem Essay angewandt, mit all den Einschränkungen und Vereinfachungen, die mit solchen Definitionen einhergehen.