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Interview mit Gejza Horváth Januar 2018

Von Inka Jurková

»Lavutaris« (›Musiker_in‹), eines der vielen von Gejza Horváth geschriebenen Lieder, besingt die moralische Unterstützung, die Roma-Musiker_innen – ganz gleich, ob Professionelle oder Amateur_innen – einander geben.

Rights held by: Gejza Horváth (artist) — Amaro Records (recording) | Licensed by: Gejza Horváth (artist/recording) | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Gejza Horváth – Private Archive | More at: Amaro Records

Inka Jurková: Adéla Gálová schreibt, dass die Sorgfalt, mit der Ihre Eltern Ihre musikalische Begabung förderten, Ihnen zu Erfahrungen verhalf, die wenige andere in der Roma-Siedlung hatten. Sie schreibt auch, dass Ihre Kontakte zu professionellen Musiker_innen Ihnen den Weg in die Welt öffneten, sodass Sie volle Anerkennung sowohl in der Roma- als auch in der Mehrheitskultur erlangen konnten. Anknüpfend daran: Glauben Sie, Ihnen wurde ein außergewöhnliches Talent in die Wiege gelegt?

Gejza Horváth: Der Schlüssel dazu, dass ich zu einem professionellen Musiker heranreifen konnte, war die Zeit, in der ich aufwuchs. Elvis Presley, die Beatles und [der tschechische Bandleader] Karel Vlach waren auf der Höhe ihres Ruhms. Hinzu kamen die Lieder von Suchý und Šlitr. Auch meine Eltern mochten diese Musik, und sie förderten meine musikalische Ausbildung. Ich ging zur Musikschule, wo ich mich mit einigen Nicht-Roma-Jungen anfreundete und begann, bei Tanzabenden in ihrer Bigband mitzuspielen. Das war die beste Ausbildung: Die Kombination, dass ich sowohl in meiner Familienband als auch in einer Nicht-Roma-Bigband spielte.

»Das Wichtigste aber scheint mir, dass ich beim Schreiben an andere Rom_nja denke. Ich möchte, dass sie sich in meinen Liedern wiederfinden und das Gefühl haben, dass es ihnen gehört.«

IJ: Was inspiriert Sie dazu, Lieder zu schreiben?

GH: Meistens kommt die Inspiration am frühen Morgen. Wenn ich ganz und gar sauber bin, vom psychologischen Standpunkt her, tritt eine Muse an mich heran, und ich warte sozusagen nur darauf, dass die Muse mich küsst. Oft erinnere ich mich an Szenen aus meiner Jugend in der Slowakei und schreibe Lieder darüber. Dann fälle ich mein eigenes Urteil, ob der Song, der dabei herauskommt, amateurhaft ist oder nicht. Das Wichtigste aber scheint mir, dass ich beim Schreiben an andere Rom_nja denke. Ich möchte, dass sie sich in meinen Liedern wiederfinden und das Gefühl haben, dass es ihnen gehört.

IJ: Haben Sie auch schon einmal ein Lied in Reaktion auf äußere Umstände geschrieben? Über ein Thema, zu dem Sie Stellung beziehen wollten?

GH: Ja, ich habe einen Song geschrieben, der ein Manifest gegen Diskriminierung und Rassismus ist. Das war in einer Situation, als ich Fernsehbilder von Ausschreitungen im Norden der Tschechischen Republik gesehen hatte, auch von marschierenden Nazis und ihren Wortführer_innen. In dem Moment wusste ich, ich muss ein Stück darüber schreiben.

IJ: Sie komponieren Musik, aber Sie sind auch Schriftsteller – Sie haben sogar einen Band mit Kurzgeschichten veröffentlicht, »Trispras«. Was liegt Ihrem Herzen näher – die Musik oder die Literatur?

GH: Ich spüre die gleiche Art von Verantwortlichkeit, wenn ich komponiere und wenn ich Liedtexte schreibe, denn beides ist mir ähnlich wichtig. Und ganz in derselben Weise ist mir auch das Geschichtenschreiben wichtig.

»Die jungen Leute haben nicht nur musikalisch große Schritte getan, sondern vielfach auch im Studium und im Arbeitsleben.«

IJ: Seit über zehn Jahren leiten Sie Musikworkshops für die Organisation »IQ Roma servis«. Warum haben Sie sich dafür entschieden, speziell durch Musik mit jungen Rom_nja zu arbeiten?

GH: Ich habe den Großteil meines Lebens damit verbracht, als Musiker durch die Welt zu reisen. Als ich mich zur Ruhe gesetzt haben, begann ich mir die Musik der vormaligen Tschechoslowakei genauer anzuhören, und sie gefiel mir nicht besonders. Deshalb beschloss ich, mein eigenes Wissen weiterzugeben. Ich möchte denjenigen helfen, die ihr Leben verbessern und hochwertige Musik aufnehmen wollen. In den Jahren, die ich nun schon für die Organisation arbeite, haben die jungen Leute nicht nur musikalisch große Schritte getan, sondern vielfach auch im Studium und im Arbeitsleben. Einen Musikworkshop im Rahmen des IQ Roma servis anzubieten, ist ideal, denn die Teilnehmer_innen kommen zwar vielleicht nur wegen der Musik, aber wenn sie da sind, fühlen sie sich motiviert, auch bei unseren Förderprogrammen mitzumachen. Auf diese Weise wächst der ganze Mensch. Manchmal organisiere ich auch Konzerte mit meinen Workshopteilnehmer_innen, und der Applaus steigert ihr Selbstvertrauen, was für ihre persönliche Entwicklung von unschätzbarem Wert ist.

IJ: Ihr jüngstes – und lange erhofftes – Projekt ist das nichtkommerzielle Aufnahmestudio Amaro Records. Wie lautet Ihre Bilanz, nachdem es nun ein Jahr in Betrieb ist?

GH: Lange Zeit habe ich nicht verstanden, warum es in der Mehrheitskultur gar kein Interesse an Roma-Musik zu geben schien, wenn Rom_nja sie spielten, während Nicht-Roma-Sängerinnen wie Zuzana Navarová oder Ida Kelarová auf gewaltiges Interesse stießen, wenn sie Roma-Lieder sangen. Dann begriff ich, dass das Problem der Mangel an hochwertigen Aufnahmen war. Und nun haben wir Amaro Records, ein Studio, in dem wir fast jeden Abend ein Programm anbieten. Meist finden sich Rom_nja und Nicht-Rom_nja zusammen und machen gemeinsam Musik. Und das ist immer mein Traum gewesen.

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