Ein Wunderkind

Panna Cinka (Panna Cinková) – oder in der traditionellen ungarischen Namensordnung und Schreibweise Czinka Panna – zählt zu den ersten Stars der Roma-Musik in Ungarn. Das Wunderkund wurde 1711 in eine musikalische Familie geboren. Der lokale ungarische Magnat János Lányi übernahm die Schirmherrschaft und ermöglichte ihr den weiteren Geigenunterricht durch einen anderen rumänischen Musiker aus einer nahegelegenen Stadt.

Nach ihrer Heirat im Alter von 14 oder 15 Jahren bildete Cinka ein vierstimmiges Ensemble: Sie spielte die Geige, ihr Mann den Bass und ihre Schwager spielten Zimbalom und Kontra (Akkordbegleitung auf Geige oder Bratsche). Ihre Söhne ersetzten später die Schwager in ihrer Musikgruppe. Von Lányi Land erhielt diese Uniformen und erschien jeden Tag in seinem Haus, trat aber auch häufig vor dem ungarischen Adel und anderen Zuhörer_innen in der Umgebung auf, darunter auch vor der Kaiserin Maria Teresia von Österreich.

Die Künstlerin verstarb im Jahr 1772. Dieses Datum ist in einem langen Nachruf erhalten, der in lateinischer Sprache, vermutlich von einem ihrer Fans und Schüler, verfasst wurde. Der Nachruf gedenkt Cinkas »schwarzer Schönheit«, ihrer Art, Pfeife zu rauchen, ihrem Lachen und vor allem ihrer Fähigkeit, durch ihr Geigenspiel eine »wahrhaft magische Kraft« auf den ungarischen Tanz und dessen Publikum auszuüben. (J. Waigand, »Totenklage über Panna Czinka«, Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 12, no. 1–4 (1970), 302.)

Eine historische Premiere?

Laut Bálint Sárosi war Panna Cinkas Musikgruppe das erste bekannte Ensemble, das die Instrumentierung der »klassischen« ungarischen »Gypsy band« (Geige, Kontra, Cimbalom, Bass) benutzte. Demnach »kann Panna Cinka als die erste [ungarische G]ypsy-Führerin (primás) im modernen Sinne des Wortes angesehen werden«. (Bálint Sárosi, Gypsy Music (Budapest: Corvina, 1978), 71.)

Manchen Versionen der Historiografien um Cinka zufolge war sie es, die den Rákóczi-Marsch komponiert hatte – ein musikalisches Symbol ungarischer Identität aus jener Zeit, wenngleich Franz II. Rákóczis Rebellion vor Czinkas Geburt endete. Eine weitere Melodie mit ihrem Namen – ›Panna Cinkas Lied‹ (»Czinka Panna Nótája«) – zirkulierte im 19. Jahrhundert, darunter eine spektakuläre Bearbeitung als eine der »Scènes de la csárda sur des melodies anciennes hongroises« (op. 65, Nr. 9) des ungarischen Geigers und Pädagogen Jenő Hubay (1858–1937).

Eine einzigartige Legende

Trotz Cinkas Ruhm und ihrer herausragenden Rolle bei der Begründung dieses Genres sind ihr nur wenige Frauen gefolgt. Vielmehr spielte Cinka – soweit das ihre Biografien überhaupt erfassen können – die Rolle einer »Ausnahmefrau«: »Alleine das gewaltige Ausmaß ihrer Leistung kann Ängste vor der Unsichtbarkeit anderer Frauen zerstreuen.« (Ruth Solie, »Clara Schumann: Artist and Woman, by Nancy Reich [Review]«, 19th-c. Music 10, no. 1 (1986), 75. Das Konzept, welches im Kontext einer von weißen Europäer_innen praktizierten Musikkunst entstanden ist, für eine nicht-weiße Musikerin volkstümlicher Musik zu entlehnen, ist selbstverständlich nicht gänzlich unproblematisch.)

Cinka wurde zu einer »Legende«. Die zahlreichen Erzählformen ihrer Lebensgeschichte, als Kurzgeschichten, Romane, Gedichte, Theaterstücke, Gemälde und in zumindest einem Film, dienten seither Kindern der Rom_nja in ganz Tschechien, in der Slowakei und in Ungarn zur Inspiration. Die Repräsentationen und die Realitäten nachfolgender musikalischer »Virtuosen der Rom_nja« blieben jedoch, über die weiteren zweieinhalb Jahrhunderte, vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, männlich geprägt.