Ciprian Necula ist Staatssekretär für das Ministerium für europäische Fonds und repräsentiert die rumänische Regierung auf nationaler Ebene. Er ist verantwortlich für alle Humankapitalprojekte in Rumänien, einschließlich Stipendien, Förderungen und Fellowships. Anfangs verwaltete Necula bloß die Gelder, die an Rom_nja und andere gefährdete Bevölkerungsgruppen vergeben werden sollten. Seine jetzige Position umfasst die Zuteilung von Geldern für alle rumänischen Bürger_innen.

2015 hielt der ehemalige rumänische Premierminister Victor Ponta eine Rede über Armut in Rumänien. »Ich erkannte, dass der Premierminister nicht das ganze Ausmaß des Problems verstand. Ihm schien nicht bewusst zu sein, dass Kinder ohne Geburtsurkunden nicht zur Schule gehen durften und dass Kinder von Rom_nja die Gruppe darstellten, die am wahrscheinlichsten von dieser Regelung betroffen ist.« Ciprian Necula erklärte dem Premierminister diesen Widerspruch und Ponta bot ihm daraufhin einen Posten als Staatssekretär für außenpolitische Angelegenheiten an. Necula lehnte ab. Ihm wurde dann eine Position im Arbeitsministerium angeboten, aber er lehnte wieder ab. Er hatte das Gefühl, nicht mit der Arbeitsministerin zusammenarbeiten zu können, da sie die Existenz von Rassismus in Rumänien leugnete. Seine Rolle als Staatssekretär in der Verantwortung für EU-Gelder hat Neculas Einsatz für Roma-Aktivismus bestätigt, indem sie ihm ermöglicht, ein Akteur mit nationalem Einfluss zu sein.

»Rom_nja wurden immer von der Mehrheitsgesellschaft als ›das Andere‹ definiert.« Als Kind lebte Ciprian in einem Wohnblock im Zentrum Bukarests. Er erinnert sich an die Warnung seiner Mutter, dass er in der Schule vielleicht »Zigeuner« gerufen werde. Zwar trennten sich seine Eltern, als Ciprian drei Jahre alt war, doch seine Tanten, Onkel und Großeltern lebten alle im gleichen Wohnblock. Sein Großvater Ivanciu war zu kommunistischen Zeiten Schmied gewesen. Die Regierung beförderte ihn wegen seiner Fähigkeiten und ließ die Familie aus dem Ort Călăraşi nach Bukarest ziehen. Der Großvater brachte Ciprian grundlegende Mechanik bei und gab so seine Kenntnisse der Reparatur von Autos an Ciprian weiter.

Obwohl es in dem Bezirk Banden gab, schätzt Ciprian sich glücklich, in postkommunistischen Zeiten in Bukarest aufgewachsen zu sein – mit Zugang zu Kultur, Musik, gesellschaftlichem Leben und Bildung. »Ich erinnere mich auch daran, als es erstmals Bananen in Rumänien gab.« Mit dreizehn Jahren bewarb sich Ciprian auf einen Ausbildungsplatz als Automechaniker oder als Polizist. Doch seine Mutter spielte ihm hier einen Streich. Denn eigentlich handelte es sich um die Qualifizierungsprüfung für die Oberschule. So besuchte er dann als einer von zwei Roma eine renommierte polytechnische Oberschule. In einer Mittagspause beobachtete er zwei Mitschüler beim Ladendiebstahl. Er realisierte, dass er als Rom für diese Straftat verantwortlich gemacht worden wäre, wenn er die beiden begleitet hätte.

In der Schule wurde Ciprian dazu geraten, die Universität zu besuchen. Seine Tante unterstützte das. Ciprian studierte an der Hochschule für Soziale Arbeit, was ihm jedoch nicht gut gefiel, so dass er in die Politikwissenschaften an der Școala Națională de Studii Politice și Administrative din București wechselte.

In den 1990er Jahren, nach der Rumänischen Revolution, wurden Diskriminierungen gegen Rom_nja immer häufiger. Im Sozialismus wurde offener Rassismus gegen Minderheiten bestraft, die Vorurteile schlummerten unter der Oberfläche. Der aufflammende Rassismus in seiner gesamten Umgebung bewegte Ciprian zutiefst. Mit achtzehn Jahren schloss er sich der politischen Partei der Roma an und nahm an einer Reihe kreativer Protestaktionen vor der österreichischen Botschaft teil. Die Protestierenden bauten einen Markt der Versklavung von Rom_nja nach – an genau der Stelle, wo er 200 Jahre zuvor tatsächlich gestanden hatte.

1998 traf Ciprian dann Nicolae Gheorghe, Begründer der Nichtregierungsorganisation Romani CRISS. Nicolae wurde sein Mentor. Ciprian schrieb für die Zeitschrift Romani Lil und konnte durch ein journalistisches Netzwerk die Arbeit von Romani CRISS zu unterstützen. Von 2003 bis 2007 arbeitete Ciprian bei der Nichtregierungsorganisation The Media Monitoring Agency. Er etablierte hier eine Abteilung, die zu Antidiskriminierungsinitiativen arbeitet. Eine der erfolgreichsten war das Programm im nationalen Fernsehen zu »Identitäten«. Ciprian arbeitete gemeinsam mit Nicolae Gheorghe an einer Reihe von Kampagnen, um in den ehemaligen sozialistischen Staaten die Diskriminierung gegen Rom_nja einzudämmen.

2008 wurde Ciprian zum Berater in der Initiative »SPER – Vorurteile gegen Roma stoppen« der rumänischen Regierung. Diese Kampagne sah auf dem Papier gut aus, brachte aber nur wenig reale Veränderung hervor. Necula sieht in der Idee der Nichtregierungsorganisation Roma Butik eine Möglichkeit, Kultur und Handwerk der Rom_nja herauszustellen. Doch hält er das NGO-Modell insgesamt nicht für das wirksamste Mittel, um die allgemeine Einkommenskluft zwischen Mehrheitsgesellschaft und Roma-Minderheiten in Rumänien anzugehen.

»Diskriminierung ist kontextspezifisch.« Ciprians Dissertationsschrift für seinen 2014 erhaltenen PhD der Soziologie befasst sich mit »Ethnizität und wirtschaftlichen Strategien gegenüber Roma im Sozialismus«. Besonders interessieren ihn die Unterschiede und die Kontinuitäten, die das Rumänien vor 1989 mit dem heutigen verbinden. In der sozialistischen Ära gab es sowohl eine formelle als auch eine informelle Ökonomie. Die Behörden tolerierten die Beteiligung von Rom_nja an der informellen Wirtschaft, so lange sie sich niederließen und zum Teil des Proletariats wurden. Sie akzeptierten keine fahrenden Rom_nja. Im Tausch für Schutz und Einfluss denunzierten Informant_innen in den Kommunen fahrende oder teilweise fahrende Rom_nja. Heute gibt es unter Rumän_innen den verbreiteten Glauben, das Rumänien ein nicht mehr rassistisches Land sei. Doch Vorurteile gegen Rom_nja bestehen beharrlich; Ciprians eigene Tochter erfuhr sie in der Schule. Vielleicht haben sich die Kriterien für Diskriminierung verändert, aber die Haltung, dass Rom_nja faul und undiszipliniert seien, ist fest verankert.

»Unsere Ziele für das 21. Jahrhundert erfordern die Auswahl der bestmöglichen Modelle, die Rom_nja als ein transnationales Volk repräsentieren, wie es sich Nicolae Gheorghe vorgestellt hat. Unmittelbare Bedürfnisse sind grundlegende Dinge: Ausweispapiere, Geburtsurkunden, Rechtstitel und Urkunden zum Eigentum. Vor allem bedarf es der Beteiligung von Rom_nja in allen Aspekten der Gesellschaft, als voll einbezogene Bürger_innen. In der EU-Vergabe sind achthundert Millionen Euro für die rumänischen Rom_nja vorgesehen, mit Förderungsentscheidungen, die für die nächsten sieben Jahre in Kraft sind.«

Als Staatsekretär hat Ciprian Necula die Fähigkeit, Programme zu gestalten und zu fördern, die auf dem beobachtbaren Bedarf beruhen, um so »diese Institution in eine wirksame Instanz für Veränderung zu verwandeln«. Ciprian Necula ist ein Vorreiter; ein Fürsprecher mit beharrlichem Engagement für nachhaltige Ergebnisse. Ein Vorbild für alle Rumän_innen.